Fahrbericht - Porsche 944 S2

Autor: Autor: Dr. Peter Knoll

Es gibt die verschiedensten Formen der Fortbewegung: Angefangen beim qualvollen Humpeln mit einem verstauchten Knöchel, dem leichten Lauf über einen weichen Waldboden, kraftvolles Schwimmen durch die Brandung, das Schwingen auf Schiern durch den Tiefschnee, der freie Flug vom Sprungturm oder mit dem Fallschirm, bis hin zum fast lautlose Gleiten im Segelflugzeug; all diese Bewegungsformen sollte man einmal im Leben genossen haben. Und eines ist auch nicht zu vergessen, das Fahren mit einem Porsche. Nicht daß ich jetzt dem allgemeinen Klischee des Porschefahrers entsprechen würde.
Es war kein lang gehegter Kindheitstraum, den man sich endlich erfüllen konnte. Vielmehr wahren auch rationale Überlegungen entscheidend, welche mich zum Mitglied der auf Exklusivität bedachten Kundenschar werden ließ. Doch dies ist wohl eine eigene Geschichte. In einem 944 S2 fand ich das gesuchte Fahrzeug, welches Reisen kurzweiliger gestalten sollte und Familie (Frau und 2 Kleinkinder mit etwas Gepäck) auch noch unterbringen sollte. Man muß jedoch noch einflechten, daß das Fahrzeug als Zweitwagen als Alternative zu einem 8-sitzigen Kleinbus mit jeder Menge Stauraum gedacht ist.

Und wirklich, das Fahren mit dem 944 S2 bekam eine neue Dimension mit jeder Menge Fahrspaß. Aber wie schon eingangs erwähnt, fühle ich mich der Marke Porsche gegenüber nicht zwanghaft verpflichtet. Ein kritisches Hinterfragen der von Porsche gebotenen Qualitäten und Leistungen und den dafür vom Kunden geforderten Tribut ist daher nicht verblendet vom Drang nach Außergewöhnlichem. Man kann dies auch schlicht eine ständige Überprüfung des Preis-Leistungs-Verhältnisses nennen.

So muß man bald feststellen, daß Porschefahren auch sehr teuer sein kann. Ein Blick auf die Ersatzteilpreise, welche manchmal das 5 bis 10fache anderer namhafter, auch auf beste Qualität bedachter Hersteller ausmachen, kann einen fast erschauern lassen. Ein Blechschaden, welcher das Auswechseln von ein paar Karosserieteilen erfordert, kann das Ausmaß der Kosten eines Kleinwagens ausmachen, wenn man auf fachgerechte Instandsetzung Wert legt.

Nicht daß der Preis an sich jetzt kritikwürdig wäre; aber um so genauer schaut man, ob auch entsprechende Qualität dahinter steckt. Diese erwartet der Porsche-Kunde, denn er zahlt für das Bewußtsein mit bester Qualität und auf dem höchsten Stand der Technik vier Räder über die Straßen zu dirigieren.

Langlebigkeit ist dabei auch ein entscheidendes Kriterium; doppelt verzinkte Karosserie, beste Materialien im Motorenbau etc. lassen vermuten, daß dies auch ein Entwicklungsziel der Porsche AG ist. Dies hat natürlich seinen Preis und der Kunde honoriert dies auch. Wie aber, wenn die Fahrzeuge diesen höchsten Ansprüchen nicht genügen? Muß sich hier die „qualitätshungrige“ Kundenschar nicht verraten vorkommen?
Wie reagiert eine Firma mit dem Nimbus größter Perfektion wenn doch einmal etwas schiefgeht?

Der Inhaber und Chef einer Handelskette erklärte mir einmal die Grundzüge modernen Marketing: Es kommt nicht unbedingt darauf an die Qualität der Produkte zu steigern; viel wichtiger ist psychologisch gut geschultes Verkaufspersonal, welches es versteht den Kunden zufrieden und bei Laune zu halten. Es muß nicht unbedingt hinzugefügt werden, daß diese Handelskette nicht mehr existiert. Diese im heutigen Konkurrenzkampf tödliche Haltung eines mit Massenwaren und Billigprodukten handelnden Unternehmens muß sich erst recht fatal auf Unternehmen auswirken, welche ihr Geschäft mit dem Mythos höchster Qualität behafteten Produkten machen. Wie sieht es in diesem Punkt bei der Porsche AG aus? Hier ein erster Erfahrungsbericht:

Die "Faszination des Fahrens" hatte ein jähes Ende bei einem Kilometerstand von ca. 107.000km auf der Autobahn vor Salzburg bei mäßiger Geschwindigkeit (ca. 3200 U/min). Ein leichter kurzer Ruck, welchen ich zunächst auf eine Asphaltnaht der Fahrbahndecke zurückführte, dann konnte man das Fahrzeug auf der 2-spurigen Autobahn ohne Pannenstreifen gerade noch bis zu einer Einmündung einer Tankstellenausfahrt ausrollen lassen. Urplötzlich verwandelt sich lustvolles Dahingleiten in weniger als qualvolles Humpeln, wenn man am Abschlepphaken des ADAC zur Freude anderer Fahrzeugmarken von der Autobahn gezerrt wird. Für 1.500 ö.S. (ca. 215,- DM) analysiert die Porschewerkstatt das Problem und macht den Kettenspanner für die Verbindungskette der beiden Nockenwellen verantwortlich. Voraussichtliche Kosten ca. 65.000,- ö.S. (fast 10.000 DM), vielleicht etwas günstiger, wenn nicht so viel ersetzt werden muß wie angenommen, was je doch erst im Zuge der Zerlegungsarbeiten des Zylinderkopfes festgestellt werden kann. Der Kundenbetreuer und der Mechaniker wirken kompetent und scheinen das Problem zu kennen. Man erfährt, daß es bereits 2 bis 3 ähnliche Fälle in letzter Zeit in dieser Werkstatt gab. Man fragt sich natürlich, wie so etwas passieren kann, gerade bei Porsche?
Hat man einen Wartungsschritt vernachlässigt oder die Maschine bei unzumutbaren Betriebsbedingungen gefahren? All dies wird verneint. Die Teile sind vom Werk als wartungs- und pflegefrei eingestuft; sollten also ein Motorleben lang halten. Auch das Fahren auf der Autobahn sollte einem Porsche zumutbar sein. Oder hat man einfach "vergessen", weitere
wichtige Teile die dem Verschleiß ausgesetzt sind in den Wartungsplan mit aufzunehmen?

Eine erste Reaktion bei einer telefonischen Anfrage beim Werk ergab ein etwas diffuses Bild. Mit "zu selten vorkommenden Ereignisssen" wird das bisherige nicht Handeln des Werkes versucht zu erklären, von kleinen Verunreinigungen im Öl, welches bei Nachfüllvorgängen in den Ölkreislauf gelangen könnten, wird ebenso diffus versucht zu argumentieren. Aber es wird auch auf mögliche Kulanzleistungen hingewiesen, wofür aber der Generalimporteur für Österreich zuständig wäre. Dieser lehnt jedoch in einer ersten Reaktion ab und begründet auch etwas fragwürdig mit Hinweisen auf das Fahrzeugalter (8 Jahre, es handelt sich um eines der jüngsten Fahrzeuge dieser Baureihe, die Langzeitgarantie des Werkes für die Karosserie ist auf 10 Jahre ausgelegt) und die Laufleistung (knapp über 100.000km, ein Wert wo bei anderen Herstellern gerade erst die Werksgarantie abläuft).

Man bekommt den Eindruck, daß diese Art von Schaden bekannt ist und man versucht ist, sich aus der Verantwortung zu drücken. Als einer dem Ruf Porsche erlegenen Kunden drängen sich ein paar Fragen auf, um das Verständnis der Marke Porsche besser fassen zu können. Was soll hier "zu seltene Vorkommnisse" heißen? Immerhin sind aus inoffiziellen Auskünften von zwei Porschewerkstätten bereits ca. fünf ähnliche Fälle bekannt.

Soll das heißen, daß der Hersteller hier bewußt das Risiko eingeht, daß bei einem gewissen Prozentsatz seiner produzierten Fahrzeuge bei einer Kilometerleistung, wo Fahrzeuge anderer Hersteller sich bester Agilität erfreuen, völlig unerwartet für den ahnungslosen Kunden ein fataler Motorschaden eintritt?

Nicht nur daß die nicht gerade geringfügigen Kosten auf den Kunden abgewälzt werden (und damit Gewinn gemacht wird), setzt man den ahnungslosen Kunden einem erhöhten Gefahrenmoment aus wenn man bedenkt, daß so ein Motorschaden bei einem Überholvorgang oder auf einer vielbefahrenen zweispurigen Autobahn ohne Pannenstreifen passieren kann. Oder wie ist es mit der Laufleistung?

Sind 100.000km genug für einen Porsche, so daß sich der Hersteller so ganz von seiner Verantwortung drücken kann? Warum schreibt man bei 80.000km den auch nicht gerade geschenkten Wechsel des Zahnriemens vor, wenn man gleichzeitig Kettenspanner und Kette als wartungsfrei einstuft? Der Porschekunde, der für höchste Qualität, Langlebigkeit und Perfektion zahlt, hat wohl einen legitimen Anspruch, kompetente Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Ich kann nicht glauben, daß das bisherige Bild, welches von einzelnen Mitarbeitern des Porsche-Konzerns geprägt wurde, tatsächlich dem gewünschten Image der Marke Porsche entsprechen soll. Ich bin sicher, daß hier noch eine offizielle Haltung der Porsche AG aussteht. Diese wird wahrscheinlich auch kommen, da ich inzwischen die Geschäftsleitung informiert und um Stellungnahme gebeten habe. (Anm. der Red.: Wird hier veröffentlicht, sobald das Schreiben da ist!)

Als technisch interessierter Fahrer, und solche sind meist die Porschefahrer, will man natürlich auch genau Wissen, was die Ursache für solche Schäden ist. Hier muß ich vielleicht einfließen lassen, daß ich vielleicht kein kompletter Laie in dieser Frage bin. Nicht daß ich mir anmaßen will Experte für Porschemotoren zu sein.

Aber seit mehr als 15 Jahren bin ich in der Forschung auf dem Gebiet der Materialwissenschaften tätig. Meine Dissertation wurde z.B. von einer international anerkannten Anstalt für Verbrennungskraftmaschinen initiiert und gesponsert. Außerdem
habe ich ein wenig Erfahrung in der Instandsetzung von Motoren anderer Hersteller. Ich habe daher der Porschewerkstatt nicht den Auftrag erteilt, die Reparatur unter den oben geschilderten Bedingungen durchzuführen, sondern habe mir das Fahrzeug überstellen lassen, um mir selbst ein Bild des Schadens zu machen. Es soll hier keine genaue Schadensanalyse gegeben werden. Diese wurde ebenfalls an die Porsche AG übermittelt. Aber ich kam ebenfalls zum Schluß, daß am wahrscheinlichsten der Kettenspanner für den Schaden verantwortlich ist. Dieser besitzt zwei Kunststoffgleitteile, wovon der eine der gebrochen ist derart selbsthaltend auf den Metallkörper aufgezogen ist, daß bei Beschädigung oder Bruch die Kette auf einen scharfkantigen Metallkörper aufprallt und ebenfalls ernsthaft beschädigt wird.

Daß mit zunehmender Abnützung sich womöglich die Kettenspannung ändert und bei bestimmten Drehzahlbereichen zu einem Schlagen der Kette führt, kann den motorzerstörenden Prozess wohl beschleunigt haben. Meinem „bescheidenen“ Materialverständnis entsprechend kann ich jedoch nicht einen Kunststoff in einer Umgebung permanenter thermischer und mechanischer Belastung als verschleißfrei einstufen. Da es sich dabei nicht um "harmlose" Bauteile handelt, die man halt austauscht wenn sie beschädigt sind, sondern ähnlich wie beim Zahnriemen um extrem neuralgische Punkte, deren Versagen zur Zerstörung des Motors führen können (Nockenwellen, Ventile etc.) kann ich mich nur wundern, daß Kettenspanner und Kette nicht Bestandteil eines Wartungsplanes sind.

Hinweis: Rückmeldung der Porsche AG wird hier veröffentlicht!


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