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Fahrbericht Porsche 4S
DIPL.-ING. (FH) GERD KEBSCHULL
Am
15.03. 2002 haben wir in Stuttgart für 10 Tage einen Porsche 996 4S
in Arktissilbermetallic abholen können – ein absoluter Traumwagen.
Schon auf der Heimfahrt die erste Überraschung: Freitag Nachmittag
aus Stuttgart heraus in Richtung Norden waren nur Geschwindigkeiten zwischen
80 bis maximal 120 km/h möglich. Gemäß Bordcomputer hatten
wir einen Durchschnittsverbrauch von nur 9 Litern auf 100 km. Am Ende der
Fahrt, nach etwa 520 Kilometern, lag der Konsum dann bei immerhin noch
sehr moderaten 10,5 Litern pro 100 Kilometern. Das war für uns schon
eine kleine Sensation.
Sicherlich
werden Stimmen laut: Wer sich für fast 100.000 Euro einen Porsche
leistet, dem sollte es doch auf einen Liter Kraftstoff mehr oder weniger
nicht ankommen. Doch! Hier geht es darum, die ingenieurmäßige
Leistung zu würdigen. Nämlich einen Sechszylinder mit 320 PS
zu konzipieren, den man bei moderater Fahrweise mit 10 bis 11 Litern Super
Plus bewegen kann. Übrigens soll der bekannte Rennfahrer Walter Röhl
den eigenen 911er ebenfalls mit nur 10 Litern fahren. Bei durchweg flotter
Fahrweise hatten wir nach einem Tankstopp einen Durchschnitt von 13,6 Litern
berechnet. Nach Insgesamt 2.400 Kilometern Testfahrt konnten wir einen
Verbrauch von genau 11,0 Litern auf 100 Kilometern feststellen.
Der
von uns getestete Porsche 4S war nahezu identisch mit dem Testwagen von
auto motor und sport (Heft 2 / 2002). Ein Auto mit einem Preis von über
93.000 Euro. Die erste Frage im Forum auf www.sportwage-hp.de war: ist
der 4S, auf Grund des Mehrgewichts (Allrad und Mehrausstattung betragen
etwa 125 Kilogramm) wesentlich langsamer als der „normale“ C2? Diese Frage
konnte nicht beantworten werden, da wir den C2 in der neuen Motorisierung
von 320 PS nicht gefahren sind. Im Vergleich zum 996 mit 300 PS (3,4 Liter
Hubraum, 350 Newtonmeter bei 4.600/min) dreht der modifizierte Motor wesentlich
leichter hoch. Dank an Variocam Plus mit 370 Nm bei 4250/min.
Egal
welcher Gang eingelegt wird, der 4S stürmt davon. Besonders viel Spaß
macht das Auto jenseits von 4.000/min – und ab 5.000/min gibt es das volle
Soundvergnügen. Das Motorgeräusch des 4S wurde aber mehr für
den Radiohörer als für den Sportwagenfahrer komponiert. Wer es
also gern etwas kräftiger mag, sollte die knapp 1.700 Euro für
einen Sportauspuff ausgeben. Das Radio in dem Testfahrzeug war meist aus
und auch die CD-Wechsel mit den Bose Sound System (Aufpreis 731 Euro) durfte
höchst selten die Rock-Röhre Joe Joker in das Innere des Porsches
dringen lassen.
Zur
Frage. Allrad ja oder nein? Wer es in Kurven mal wirklich flott angehen
will, wird die 4 im Namenszeichen des Carreras mögen. Denn in keiner
Test-Phase haben wir den Porsche in eine Grenzsituation gebracht. Dazu
die Erklärung: Bei einem Porsche-Fahrtag, ergab sich die Gelegenheit
alle 993-Modelle nacheinander zu fahren. Ein tolles Erlebnis. Da dies die
ersten Fahrten mit einem 911er waren und man dazu auf einer unbekannten
Strecke unterwegs war, konnte der Unterschied zwischen einem C2 oder C4
kaum festgestellt werden, weil man die Fahrzeuge einfach zu vorsichtig
bewegte. Das Testerlebnis auf unserer Hausstrecke mit einem Audi TT mit
und ohne Quattro und nachfolgend mit einem 4S kann jedoch festgestellt
werde: Allrad ist fabelhaft und vor allem in einem Porsche 4S. Dazu noch
ein Hinweis, obwohl wir den 4S recht flott durch die Kurven bewegt haben
– sind wir dennoch nie in eine Grenzsituation gekommen, dass heißt,
das Eingreifen von PSM, falls das Heck mal ausbrechen sollte, war nie zu
spüren.
Wir hatten den Porsche, um in erster Linie gute Fotos von diesem Kunstwerk
zu machen. Als Fotograf beschäftigt man sich ja sehr intensiv mit
jedem Detail und mit jeder Linie des Sportwagens. Allein das Nacht-FotoShooting
in Münster hat über vier Stunden gedauert – und je länger
man sich mit diesem Traumauto beschäftigt, um so schöner wird
es. Besonders die elegante Dachlinie zum Heck ist ein Meisterstück.
Das kräftige, um 60 Millimeter breitere Heck und die Frontschürzen
vom Porsche 959, kombiniert mit 295er-Walzen hinten auf 18-Zoll-Felgen,
machen den Wagen zu einem Hingucker. Egal wo sich der Porsche befand, zumindest
aus den Augenwinkel wurde er beobachtet und bewundert.
Das Navigationsgerät (Aufpreis 2546 Euro) mit integriertem Radio
und Telefon möchte man nach kurzer Zeit nicht mehr missen. Auch wenn
es wohl technisch gesehen ein Baujahr 98 ist und schon einige Zeit benötigt,
um eine längere Strecke zu berechnen, führt es einen doch zielgenau
und stressfrei an den gewünschten Ort. Wobei es naturgemäß
in den dörflichen Regionen manchmal etwas irritiert ist und man fast
spürt, dass das Navigationsgerät nicht genau weiß, wo es
sich befindet. Irgendwann meldet sich die freundlich Stimme mit dem Hinweis
zurück: „Nach Fünfhundert Metern rechts abbiegen. Jetzt, rechts
abbiegen!“ Zum Telefon kann keine Aussage gemacht werden, da leider keine
Telefonkarte vorhanden war.
Zur TOP-Speed kann nur gesagt werden, dass der 4S ganz sauber und locker
bis 270 km/h durchzieht, die 280 km/h easy schafft und dann langsam bis
290 km/h in Richtung Drehzahlbegrenzer fährt. Alle Angaben sind von
der digitalen Geschwindigkeitsanzeige abgelesen worden, die relativ genau
sein soll. Ob er es letztendlich sogar bis 295 km/h geschafft hätte,
ist auch nicht so wichtig. Im Forum von http://www.sportwagen-hp.de wurden
bereits Spitzengeschwindigkeiten von 300 km/h gepostet. Bei einem Gespräch
mit einem BMW-745-Fahrer zeigte sich dieser verwundert, dass der Porsche
nicht bei 250 km/h abgeregelt sei. Dazu kann nur gesagt werden: Gott sei
Dank! Zwar war es nur dreimal in zehn Tagen möglich, überhaupt
gefahrlos Geschwindigkeiten von über 250 km/h zu fahren. Wie bereits
erwähnt: TOP-Speed ist nicht alles und eine flottgefahrene Kurve macht
mit dem 4S mehr Spaß als eine Geschwindigkeit jenseits von 250 km/h
auf der Autobahn. Dennoch, der 4S ist mit 320 PS gut motorisiert. Sicherlich
gibt es auch Freaks, die nach mehr schreien, aber nur dreimal in zehn Tagen
schneller als 250 km/h zu fahren, sprechen eine deutliche Sprache. Auf
dem gesamten Rückweg nach Stuttgart war sogar nur einmal ganz kurz
eine Spitzengeschwindigkeit von 230 km/h ´drin.
Beim Sitzkomfort muss man den Porsche-Ingenieren einmal ein Minus-Zeichen
in die Bewertungsliste eintragen. Wurde in den alten Porsche 911er (Baujahr
1988) noch die „echten VW-Sitze“ verbaut, war dagegen beispielsweise im
Porsche 944 schon echter Sitzkomfort zu spüren. Man sitzt hart im
944, aber sehr gerade – mit direkt Rückenberührung zum Sitz.
Von Seitenhalt kann dagegen bei den 4S-Serien-Sitzen wirklich nicht gesprochen
werden. Beim nächsten Besuch in einem Porsche Zentrum, hoffen wir
mal ein Fahrzeug mit Sportsitzen vorzufinden – und damit sind nicht die
Schalensitze gemeint, die vermutlich dann doch etwas zu sportlich wären,
vor allem bei Langstrecken.
Nicht nachvollziehen können wir die Kritik von auto motor und sport
(Heft 2 / 2002), Zitat: „Bei so sportlichen Fahrwerk tut man gut daran,
Komfortansprüche rechtzeitig zu minimieren“. Aber bitte liebe Kollegen.
Wer sich einen 4S bestellt, will diese Fahrwerkabstimmung, ansonsten kann
er sich auch den C2 bestellen – oder?
Fazit
Ein toller Sportwagen, ein absoluter Traum. Punktabzug gab es nur bei
dem etwas langsamen Navigationsgerät, das dringend überarbeitet
werden müsste und bei den Sitzen. Bei der Entscheidung Porsche C2
oder 4S (Differenz immerhin 13. 500 Euro) muss das jeder selbst für
sich entscheiden. Für uns ist der 4S der absolute Traumwagen.
Alle Fotos © 2002 by Redaktionsbüro
Kebschull
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